Nach den paar
Tagen auf der Peninsula Valdes ging die Fahrt nochmals 1300km Richtung Norden
nach Chascomus (südlich von Buenos Aires) auf die Estancia La Plegaria
(Estancias sind grosse Farmen; im Süden Argentiniens vor allem Schaffarmen und
hier im mittleren und nördlichen Argentinien vor allem Rinderfarmen).
Schon von
der Schweiz aus habe ich Kontakt aufgenommen mit Laura, der Besitzerin und
gefragt, ob wir Ende Jahr vorbei kommen könnten. Von der kleinen schönen Stadt
Chascomus mit einem historischen Pflastersteinzentrum und einer wunderschönen
Promenade am See ging die Fahrt auf einer Schotterstrasse fünf Kilometer weiter „a
la campo“ (aufs Land). Umgeben von Grasland und Viehherden erreichten wir das
Eingangstor zur Estancia, die mit 1600 ha eine der grössten in der Umgebung ist.
Laura und ihr Mann Raul haben hier eine kleine Oase erschaffen und mit vier
Hausmädchen, einem Gärtner und fünf Gauchos ein ziemlich exquisites Leben.
Eigentlich bin ich ja nicht Fan von so detaillierten Reiseberichten und schon gar nicht von "und dann machten wir... und dann..." aber wenn ich an dieser Stelle hier einfach schreiben würde "wir kamen auf der Estancia an und haben den ganzen Tag gegessen", dann würde das wohl niemand wirklich ernst nehmen, geschweige denn kann man sich das wirklich vorstellen... Also beschreibe ich mal einen gaaaanzen ("wohlgenährten") Tag; einen typisch argentinischen Tag auf einer der vielen wohlhabenden Estancias: Als wir
angekommen sind, hat uns Laura so herzlich empfangen, als würde sie uns schon
ewig kennen. Für Quatsch und Tratsch blieb aber keine Zeit, denn es ging direkt
aufs Feld zu den Rinderherden, wo wir den Gauchos bei ihrer Arbeit zusehen
konnten. Unter den Gauchos gibt es immer eine klare Rangordnung. Der Besitzer
Raul ist natürlich der „Hauptgaucho“, jedoch vor allem zuständig für das was
quasi „hinter“ dem Feld abgeht, sprich der Handel, Verkauf etc. Miguel, sein
guter Freund hatte Veterinärmedizin studiert und koordiniert alles auf dem
Lande (weist die anderen Gauchos zurecht, verteilt ihnen die Arbeit, schaut
welche Rinder wann auf welchem Feld sein sollen etc.). Dann gibt es noch die
drei Hilfsgauchos, welche die Anweisungen von Miguel ausführen (Rinder zusammen
treiben, Zäune und Wasserpumpen reparieren etc.), sie haben schon Stunden bevor
Miguel und Raul mit uns zu den Rinder kamen, die Kälber von den Müttern getrennt
und auch während der ganzen Impfung etc. geschaut, dass immer nur ein Duzend Rinder
aufs Mal zum Impfen durchs Gitter liefen. Sie machten sozusagen die harte
„Drecksarbeit“ und ritten mit ihren Pferden ständig wie wild den Herden
hinterher. Für die Impfung ist zusätzlich noch ein „offizieller
Veterinärmediziner“ vorbei gekommen, denn diese Arbeit muss von einem Institut
aus gemacht werden, sobald das Fleisch in den Export geht.
Die Kälber hatten
einen harten Tag, zuerst trieben die Gauchos auf ihren Pferden in einem wilden
Getue die Jungen von den Mutterkühen weg, dann wurden sie geimpft, am Ohr
markiert, dann nochmals geimpft und schlussendlich noch kastriert… Mir taten
sie schon ziemlich leid! Aus den abgeschnittenen Hoden wurden die Eier mit den
Fingern raus gequetscht und dann mit nach Hause genommen, um sie später zu
grillieren…
Miguel - der Obergaucho
der Tierarzt am Impfen
Ein Hilfsgaucho treibt die Rinder zusammen
Jetzt wird kastriert (auf dem Pfosten rechts im Foto liegen schon die ersten "Nüsse")
Die Rinder haben's überlebt, jetzt geht's zurück aufs Feld... (Und Michi hatte eine Schlüsselfunktion ;-)
Gaucho - Schlussbesprechung
Als die Arbeit erledigt war, bat Miguel Michi den Sack mit den abgeschnittenen Hoden nach Hause zu nehmen und so waren wir mit einem Sack voller "Nüsse" auf der Pick-up-Ladefläche auf dem Rückweg :-) Schmutzig von Kopf bis Fuss kamen wir zurück zur Estancia... Doch viel Zeit blieb nicht zum ausruhen, denn ich sah dass Norma, die Hauptköchin gerade Empanadas zubereitete (gefüllte Teigtaschen, eine argentinische Spezialität und jede Köchin hat quasi ihre geheime Füllung und eine eigene Art die Teigtaschen zu falten) und so fragte ich, ob ich in der Küche etwas helfen kann. Zuerst schauten sie mich ganz komisch an, denn wahrscheinlich hat ihnen noch nie ein Gast in der Küche geholfen, aber es wurde ein riiiesen Spass und die Angestellten amüsierten sich an meiner (schweizerischen) Falttechnik ;-)
Mit der Köchin Norma am Empanadas machen...
... und fertig!!!
Für das Mittagessen versammelten wir uns mit den zwei anderen
Gästepaaren (junge Argentinier aus Buenos Aires, eher Oberschicht), Laura und
ihr Mann Raul sowie dem Gaucho Miguel im Grillhaus am Pool, wo die Angestellten
bereits das Essen am Vorbereiten waren. Jetzt sind wir schon über einen Monat
in Argentinien und haben erst hier begriffen, was die Locals während der ganzen
Siestazeit (12.30-17h) machen: sie ESSEN!!!! (Das erklärt auch ihre Postur…)
Vor dem almuerzo (Mittagessen) kommt el aperitivodel campo...
Zuerst gab es el aperitivo mit Wein, Salami, Käse etc., dann gings über zu den
Fleischgängen (Mehrzahl!). Über !zwei Stunden! wurde ein Fleisch nach dem
andern serviert und zwar jede Runde wieder ein anderes (selbstverständlich
wurde dann auch immer ein neuer Teller aufgetischt, und das wegen einem Stück
Fleisch…) und wenn man mal eine Runde auslassen wollte, musste man Raul schon
einen guten Grund liefern, aber Laura hatte glücklicherweise Verständnis :-) Der Höhepunkt war der Spiess mit den gegrillten Hoden, welche sie
am Morgen noch den Kälber abgeschnitten haben. Plötzlich hielt mir Raul eine
Gabel mit einem aufgestochenen Hoden vor (bzw. fast IN) den Mund und so blieb
mir keine andere Wahl als zuzubeissen. Wüsste ich nicht was es ist, würde ich
sagen es schmeckt wie ein mehliges gekochtes Ei und ist geschmacklich nicht mal
so schlecht, aber wenn ich an die Kälber vom Morgen dachte, iiiitschhhh…. Nach
mir musste selbstverständlich auch noch Michi da durch ;-)
Raul an der Parilla...
Vor ein paar Stunden noch Kälberhoden, jetzt Grillspiesse...
La sala del almuerzo
So machten wir
eine argentinische Siesta, sprich wir assen von 12 Uhr bis 4 Uhr Nachmittags
und es wurde über Fussball, Wein, das Fleisch natürlich und die Rinder
gequatscht… Nach dem Essen muss man natürlich verdauen und deshalb geht die
Siesta auch bis 5 oder 6 Uhr abends und alle liegen rum wie tote Fliegen… Wir
konnten aber nicht ruhig rum liegen sondern spielten eine Runde Krocket…
Krocket
Matetee- Automat (gesehen in Valdes, nicht hier)
Viel Zeit blieb
aber nicht, denn knapp zwei Stunden später (18.30) begann die“ hora del té“ und
man versammelte sich im Salon oder auf der Veranda zu einem Stück Kuchen und
Mate-The, den man schön im Kreis herum gibt und es trinken alle aus dem selben
„copa“ (fast wie eine Friendenspfeife). Die Argentinier spinnen auf Grüntee
(Mate-Tee), ständig sieht man Leute mit einer Thermosflasche und diesem typischen
Mate-Becher rumlaufen, es gibt auch Reisesets extra für Matetee und auch
Automaten haben wir schon gesehen… Grundsätzlich ist es aber etwas sehr
geselliges, wenn dieser Becher da bei einem Nachmittagsquatsch so die Runde
macht.
Diesen Matetee-Becher gibt man in der Runde herum wie eine Friedenspfeife :-)
Ein bisschen
komisch ist es aber, denn bei jedem Essen und auch beim Tee steht immer
mindestens eine Angestellte irgendwo und schaut zu uns, sobald Laura (die
Besitzerin) ein bisschen mit der Hand winkt, kommt sie und erfüllt jeden
Wunsch. Dann um 9 Uhr gabs dann das Abendessen, natürlich zuerst mit einer
Runde Champagner, dann erster Gang, zweiter Gang usw. und das ganze zog sich tiiiief
in die Nacht hinein. (Sprich wir haben an einem Tag ca. eine Stunde gefrühstückt,
das Mittagessen dauerte vier Stunden und das Abendessen nochmals mindestens
drei, alles in allem haben wir an einem Tag also etwa acht Stunden mit Essen
verbracht, neuer Rekord!!!)
Am nächsten Tag
beschlossen wir jedoch vom ewig langen Mittagessen fern zu bleiben und statt dessen
mit Gabriel, einem Hilfsgaucho auf einen Ausritt zu gehen (anstelle von
nochmals Stundenlang am Tisch zu sitzen entschied sich sogar Michi für den
Ausritt und gegen das Fleisch! Er hat von dem ganzen spanischen Gequatsche nicht
so viel verstanden, deshalb sind ihm die Stunden eeeewig vorgekommen und wollte
das nicht nochmals…).
Wir sassen drei
Stunden im Sattel und waren dauernd auf ihrem Grundstück unterwegs, unglaublich
wie viel Land diese Estancia hat! Es war super lustig mitten durch die
Rinderherden zu galoppieren und die Rinder umher zu treiben, den davon
hopsenden Hasen nachzurennen oder einfach super schnell quer durch die Felder
zu galoppieren… Die Pferde waren natürlich keine Touristenpferde, sondern
machten nur, was man ihnen ausdrücklich anleitete (wenn man sie nicht anleitete, machten sie was sie wollen) und so kam es, dass Michis
Pferd dauern Grass frass und es seeeeehr gemütlich nahm… Er sagte: „mis esch kabott, esch nor es halbs
Ps, glaub das muesmer id Garage brenge…“:-) Tja und so liefen wir nachher mit O-Beinen durch die Gegend…
Ein Windrad pumpt das Grundwasser hoch für die Rinder...
der 2. Gaucho Miguel :-)
Nach einer Runde
im Swimmingpool verabschiedeten sich die beiden anderen Gästepaare, denn sie
kamen nur fürs Wochenende hierher und müssen morgen wieder arbeiten und auch
die Besitzer Laura und Raul verabschiedeten sich, weil sie wegen des Feiertags
nach Buenos Aires zu ihren Kindern und Enkel gehen. So waren nur noch Michi und
ich auf der Estancia und hatten die vier Angestellten für uns alleine (ok eine
hätte genügt). Norma, die Köchin und gute Seele des Hauses kochte mit den
anderen ein super leckeres Abendessen und verwöhnte uns richtig!
Am nächsten
Morgen hiess es dann Abschied nehmen, aber wir wissen, hierher kommen wir
wieder mal zurück… Wir räumten unseren Dietrich (die Abfalleimer waren danach
gefüllt ;-) weil wir ihn ja bald zurück geben werden und dann gings los nach
Buenos Aires, unserer letzten Station in Argentinien…
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